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01. Smilla, die erste Begegnung
Karsamstag, Matuschek hatte die ganze Woche einen Laminat Boden verlegt und gönnte nun seinem malträtierten Körper eine kleine Pause im Taxi. Viel verdienen würde er heute wahrscheinlich nicht, da die meisten seiner potenziellen Kunden gerade irgendwo im Stau standen, aber egal, der Körper brauchte eine Auszeit und gerade an solchen Tagen hatte Matuschek die intensivsten Erlebnisse. Diese erinnerte er noch nach Jahren, eine finanziell erfolgreiche Schicht war schon am nächsten Abend vergessen. 
Bis jetzt war aber noch gar nichts passiert, Matuschek stand immer noch als Vierter vor dem Handelshof, seit gut einer halben Stunde. Ein weiterer Grund für Matuscheks Anwesenheit im Taxi, zu dieser Uhrzeit, 16:15 Uhr, eigentlich der Hauptgrund, war aber der Erwerb eines Laptops, Matuschek hatte dieses unwiderstehliche Angebot zufällig in der Lokalzeitung gelesen, der Computerladen war in Essen und schloß um 16:00 Uhr, so hatte Matuschek den Laptop im Kofferraum. Eigentlich etwas gefährlich, da Matuschek einen Kombi fährt, freier Zugriff von der Fahrgastzelle in den Kofferraum und freie Sicht auf den Karton. Also ausgestiegen, den Karton entsorgt, den Laptop auf den Schoß, Stromversorgung über Zigarettenanzünder hergestellt und los. Das Betriebssystem war vorinstalliert, die Modemsoftware auch, Matuschek hatte sich zufällig gerade eine Computerzeitschrift an der ARAL gekauft, da wo es den leckeren Café gibt, auf der beiliegenden, vielmehr so blöd mit der Coverseite verklebten, das sie kaum zu lösen war, CD, war Matuscheks Lieblingsbrowser und auch die Zugangssoftware zu einem seiner Provider enthalten. 
"Tut tut", Matuschek wollte gerade mit der Installation beginnen als ihn eine Autohupe nach vorne schauen lies, oh, zwei von den drei Taxen vor ihm waren weg, wohin? Matuschek zog vor und begann mit der Installation. Nach zwanzig Minuten hatte er sein Handy angeschlossen und war das erstemal fast online, er tippte gerade sein Kennwort ein. 
"Was nimmst du den zur Hohensyburg?" 
Ein im modischen schwarzen Outfit eingeengter Mitvierziger hatte die Taxitür geöffnet. Hohensyburg ist ein Vorort von Dortmund, neben diversen Lokalitäten befindet sich dort auch ein Spielkasino, von Essen ca. 45 km entfernt, Fahrpreis ca. € 70, kann aber, da außerhalb des Pflichtfahrgebietes, frei vereinbart werden. 
 
"Dreihundert" 
Jetzt hast du Ruhe dachte Matuschek. 
"In Ordnung" 
Der Schwarze stieg ein. 
 
"Vorkasse" 
Matuschek fährt eigentlich Jeden und nimmt fast nie Vorkasse, Vorkasse bedeutet, der Fahrpreis wird im Voraus entrichtet, aber irgendwie war der Typ komisch, Matuschek hatte auch ein schlechtes Gewissen wegen dem überhöhten Fahrpreis und dachte, dass die Fahrt so Nicht-zustande-Kommen würde, da viele Fahrgäste auf das offentsichtliche Mißtrauen sehr allergisch reagieren, als er rechts rüber schaute hielt der schwarze Mann drei Hunderter in der Hand. 
 
"Mann, gib mir zwei, das ist schon fast zuviel." 
Soviel Dummheit musste bestraft werden, man weiß eben nie was als nächstes kommt, Laptop ausgestöpselt und auf die Rücksitzbank gelegt, Handy auf die Ablage und ab. Ganz wohl war Matuschek immer noch nicht, der Fahrpreis war zwar rechtlich korrekt, eben frei vereinbar, aber der Dienstleistung nicht angemessen. Matuschek machte einen Test, durch diverse Fragen ermittelte er ein Profil seines Fahrgastes. Dieser entpuppte sich als Deutschlehrer an einer Privatschule, dieses machte er aber nur noch als Zeitvertreib, wahrscheinlich um die Kids zu quälen, vor fünf Jahren hatte er ein Beerdigungsinstitut geerbt, das ihm jeden Monat soviel einbrachte wie Matuschek auch in einem guten Jahr nicht verdiente, na dann dachte Matuschek. 
"Shit, haste das gehört im Verkehrsfunk, die A 45 ist völlig überlastet, Feiertagsverkehr, Riesenstau, da fahren wir besser durch die Stadt, das ist dann ein bißchen weiter, geht aber viel schneller, wird dann aber auch ein bißchen teurer." 
So ganz unrichtig war das nicht was Matuschek sagte, der Verkehrsfunk meldete wirklich kilometerlange Staus, aber das explizit die A 45 betroffen wäre, hatte Matuschek nicht gehört, war aber auch nicht ganz unwahrscheinlich.
"Was?" 
"Der Fahrpreis ist nicht okay."  
"Wie?" 
"Ich brauch noch einen Fünfziger!"
Dieses sagte Matuschek freundlich, aber bestimmt und überlegte sich schon mal weitere Argumente, war aber gar nicht nötig.
"Bitte" 
Ein Fünfziger wurde rüber gereicht, Matuschek konnte es fast nicht fassen, hatte aber auch nur ein mäßig schlechtes Gewissen, da er neben der Transportdienstleistung die er erbrachte, auch noch die Profilierungssucht seines Fahrgastes, der ununterbrochen selbstgefällig daherplapperte, ertragen musste.

Sonst verlief die Fahrt ohne weitere Zwischenfälle, nur der Parkautomat des Casinos irritierte Matuschek beim rausfahren ein wenig, als er grellgrün, Parkzeit 60480 Minuten - Zahlen sie EUR 126,42 anzeigte. 60480 Minuten, das sind exakt 42 Tage, dafür sind € 126,42 ja nocht recht preiswert, die 42 ist ja bekanntlich auch die Antwort auf alle Fragen, aber Matuschek hatte sich höchstens 10 Minuten auf dem Gelände aufgehalten. Der neben dem Parkautomaten in seinem Häuschen sitzende Parkplatzwächter zeigte sich auch sehr kooperativ.
"Du kannst auch deine Kreditkarte zum Zahlen einschieben."
Matuschek hatte aber keine Kreditkarte und wollte auch eigentlich gar nichts bezahlen, da 20 Minuten Parken frei sind. Das sah auch der Parkplatzwächter so, und öffnete die Schranke sofort nachdem Matuschek im angeboten hatte, er könnte auch den Radschlüssel suchen, was bei einem Peugeot allerdings immer etwas dauert, da die Franzosen den immer irgendwo verstecken, und ihm denselbigen irgendwo reinschieben.

Matuschek hatte mit der einen Fahrt mehr verdient als in einer guten langen Samstagnacht, so rief er auf dem Rückweg ein paar Freunde an, klar keiner zu Hause, zu Hause war auch keiner, Tochter und Gefährtin verweilten zehn Tage an der Ostsee, also fuhr er erstmal zum Chinesen und bestellte sich das Tagesmenü, das war nicht nur immer sehr gut, sondern auch sehr preiswert. Der Wein war, für einen Chinesen nicht gerade typisch, auch sehr gut, aber mehr als zwei Glas von dem leckeren Soave konnte er sich nicht erlauben, er hätte zwar das Taxi einfach stehen lassen können, aber er musste ja auch irgendwann nach Hause und das war sechzig Kilometer entfernt. 
So stand er nach zwei Tassen Café am Limbecker Platz, als zweiter, hörte Drum 'n Bass auf BFBS, Steve Mason müsste jetzt auch schon über Fünfzig sein, Matuschek kannte ihn noch aus der Rock- und Reggae Zeit, und stellte endlich den Zugang zum WWW mit seinem Laptop und seinem Handy her. Klappte hervorragend, in seinen elektronischen Postfächern war aber neben einer kurzen persönlichen Mitteilung nur Junkmail und als er gerade zu surfen beginnen wollte, überschlug er kurz die Kosten, etwas über fünfzehn Euro die Stunde und meldete sich wieder ab. 
Das erste Taxi war immer noch da, im Funk war absolute Stille, BFBS brachte gerade News, also setzte Matuschek das Taxi etwas zurück und ging ins Internet-Café. Hier drehte er sich erstmal eine Zigarette, zog sich einen Café, nicht so zu empfehlen, und machte eine kleine Runde. Die meisten Jungs spielten eine aktuelle Version von Doom, zum Glück funktionierten die meisten Soundkarten nicht, einer suchte nach dem Schlagwort "Enkaustik" (in der Antike entwickeltes Malverfahren, bei dem die Farben mit Wachs gebunden werden) mit wenig Erfolg, der muss bestimmt nach den Osterferien ein Referat halten, einer suchte nach "Fellatio", die Suchmaschine hatte soviele Einträge, dass sie vorschlug die Suche zu verfeinern, ein Mädchen war in Matuscheks Lieblingschat, vielmehr dem einzigen in dem Matuschek sich mal alle paar Monate, wenn er so gar nichts mehr zu tun hatte und nach zwei Flaschen Wein auch nicht mehr in der Lage war sich irgendwas kreatives einfallen zu lassen, aber auch noch nicht aufgeraucht hatte, blicken ließ. Matuschek setzte sich an einen freien Platz und widmete sich seinem momentanen Lieblingsprojekt "Taxipark.de", im Besonderen der Akquirierung von Einträgen, indem er allen möglichen Taxiunternehmungen ein Informationsmail schickte. Als er die erste neue Adresse gefunden hatte schaute er kurz aus dem Fenster und sah das sein Taxi ganz allein am Ende des Halteplatzes stand und ein junger Mann gerade versuchte die Tür zu öffnen. Matuschek bezahlte 40 Cent für die Benutzung des Internet Arbeitsplatzes, ging zur Tür hinaus und sah wie der junge Mann in ein gerade vorbeikommendes Taxi stieg, ein weiteres fuhr auf den Halteplatz, der Fahrer schaute sich kurz zu Matuscheks Taxi um, machte aber keine Anstalten den ersten Platz aufzugeben, tja die Nachtschicht hat wohl den Betrieb aufgenommen, es war 22:00 Uhr. 

Matuschek setzte sich in sein Taxi und zog vor, nach zwanzig Minuten merkte er durch eine Nachfrage eines Kollegen, das heute wohl auf Kanal 1 gesendet wurde, darum war es auch so absolut ruhig im Funk gewesen. Durch die Scheibe des Internet-Cafés sah Matuschek das Mädchen lächeln, tippen, warten, lächeln, tippen, ob die immer noch im Chat war? Matuschek schnappte sich seinen neuen Laptop, ignorierte die Kosten und die Zeit und meldete sich als driver im Chat an, sieben waren drin, Smilla, coalmine, Gypsy, Purple, deo, Bumm und der unvermeidliche Hero.
 Smilla

coalmine: Die Stimmung hier ist faszinierend 
deo: Wo? 
Purple: Der Himmel wird dunkel 
Smilla: Ich denk du bist allein 
diver: Guten Abend 
Hero: Na wie ist es unter Wasser 
coalmine: Das ist ja das schöne, ich sitze hier am See, allein und sehe wie die Sonne langsam versinkt
Hero: Hey diver, ist dein Computer auch wasserdicht 
(Ach, der meint mich, Matuschek merkte, dass er sich als diver statt als driver angemeldet hatte, als er zum Internet-Café blickte, tippte das Mädchen, Zehnfingersystem, alle Achtung, wohl eine Kurzgeschichte.) 
Smilla: Und das kannst du nicht genießen ohne Chat? Abgesehen davon das ich keinen transportablen Computer habe, käme ich nie auf die Idee mich an einen See zu setzen, in der Abenddämmerung, und an einem Chat teilzunehmen. Wahrscheinlich hast du auch noch ein portables TV dabei und nimmst an einer realen Diskussionsrunde über die Verfügbarkeit moderner Medien teil. Hier ist es schon fast dunkel. 
(Stimmt, dachte Matuschek, ob das wirklich das Mädchen im Internet-Café geschrieben hat? Er schrieb erstmal was an Hero.) 
diver: Klar, deiner nicht? 
coalmine: Hier auch, ne, ich sitze hier ganz allein und mit dem Chat das ist Zufall, ich hab mir den Laptop nur geliehen für eine Bestandsanalyse (Botanik), jetzt sitz ich hier nach getaner Arbeit und entspann ein wenig. 
Smilla: Schön 
Hero: Jau 
coalmine: Nur schön? 
Smilla: Ja 
coalmine: Schade 
Smilla: Warum? 
coalmine: Nur so 
Smilla: aha 
coalmine: Was machst du denn sonst so? 
Hero: Mal ne interessante Frage? 
Smilla: Tja ... 
(Jetzt lachte sie) 
Matuschek wollte gerade auch was tippen, da ging die Tür auf und jemand wollte nach Altenessen fahren. Matuschek unterbrach die Verbindung abrupt, nicht gerade netiquette, ohne sich abzumelden. Während der Fahrt überlegte er wo er den Laptop lagern sollte wenn die Rücksitzbank mal besetzt wäre, manchmal fuhr er ja auch richtige Rabauken, und ein Griff über die Rückenlehne war leicht getan. Als der Fahrgast ausgestiegen war steuerte Matuschek die DEA an, zog sich mal wieder einen Café und plazierte den Laptop ziemlich nahe an der Heckklappe, verdeckt durch einen Stofffetzen der im Kofferraum herumlag, war wohl der Bezug eines Kindersitzes. Als er gerade einsteigen wollte, lief ein Alkipärchen auf ihn zu, gut, Matuschek hatte ja schon genug verdient, also nahm er die Beiden ein Stück Richtung Stadtmitte mit, umsonst. Prompt stand da ein sogenannter Abwinker der seinem Namen alle Ehre machte und wie verrückt winkte, Matuschek hatte das Dachzeichen eingeschaltet gelassen. Dreihundert Meter weiter krabbelte das Pärchen langsam aus dem Wagen und brabbelte irgendwas von, "Eh Alter echt gut eh, danke eh ...", was den Prozess des Aussteigens nicht gerade beschleunigte. Irgendwann waren sie draußen, Matuschek raste zurück, der Abwinker war, wie erwartet, weg. 
Zurück am Limbecker Platz, Matuschek war wie angezogen dort gelandet, die Plätze vorher waren aber auch übersät mit Droschken, hier hatte er die zweite Position, das Mädchen saß immer noch da, intermittierend tippend und schauend. Schön, also raus, ein paar Photos gemacht, Laptop ausgepackt. 
"Noch frei?"
Das erste Taxi war irgendwie verschwunden.
"Ne" 

Kopfschüttelnd ging die Lady, ca. 40, Hausfrauentyp, diesen Typ konnte Matuschek absolut nicht ab, weiter, aber nur ein paar Meter, dann kam sie zurück. 
"Können sie mir vielleicht ein Taxi bestellen?" 
"Ne, hab keinen Bestellschein." 
Ruhe, Matuschek schloß seinen Laptop an, da stand neben ihm ein Taxi, der Fahrer zeigte auf den freien Platz vor Matuschek. 
"Fahr ruhig vor, ich bin bestellt." 
Mann, hat man denn nie Ruhe, jetzt aber angemeldet, jau, Smilla, coalmine und ein paar Andere waren im Chat. 
coalmine: Das könnten wir ja dann mal zusammen machen. 
Smilla: Ja ... eigentlich schon, aber? 
coalmine: Aber? 
Hero: Aber, aber 
driver: Hallo Hero, immer noch da? 
Hero: :-( 
driver: :-# 
Hero: Häh, wer bist du denn? 
driver: Der alte diver, :-#, das heißt psst! 
Smilla: Aus welchem Bereich kommst du denn? 
coalmine: Uferbereich ;-) 
Smilla: IDIOT 
(Matuschek war sich jetzt ganz sicher, denn das Mädchen im Internet-Café schaute jetzt ganz böse, er kam sich vor wie ein Voyeur, war aber erstens eine interessante Erfahrung und zweitens ganz harmlos. Mal testen ob die Beiden auch noch andere wahrnehmen?) 
driver: Er sitzt doch am See, brauchst du doch nicht so böse schauen. 
Smilla: Hallo driver
Matuscheks Taxi
(Sie schaute aus dem Fenster, eher nachdenklich als verärgert, genau auf das Taxi, Matuschek zuckte zusammen, war natürlich Quatsch, sie konnte driver nicht in dem Taxi vermuten.) 
driver: Hallo Smilla 
coalmine: Hey, war nicht so gemeint, ich komme aus dem Ruhrgebiet. 
Smilla: Schön, ich aus Freiburg. 
driver: Glaub ich nicht! 
coalmine: Warum nicht? 
driver: Smilla kommt nicht aus Freiburg! 
Smilla: Doch, aber zur Zeit bin ich auch im Ruhrgebiet. 
coalmine: Kennt ihr euch? 
driver: Nein, nein 
Smilla: Nein 
coalmine: :-) 
Smilla: päh! 
coalmine: Langsam muss ich Schluss machen, es wird kühl am See und ich habe nur ein wenig Licht von dem Förderturm hinter mir, ist jetzt ein Industriedenkmal und bald wird das Licht wohl ganz abgeschaltet, am anderen Ufer macht auch schon die Kneipe zu. 
Smilla: Ja, ich muss auch bald. 
coalmine: Wo bist du denn eigentlich jetzt? 
Smilla: Tja?
Smilla schmollt

(Fünf Minuten Sendepause, Matuschek hörte gerade die 24 Uhr Nachrichten und beim Wetterbericht fiel ihm der Stillstand auf.)
Smilla: coalmine? 
coalmine: Ja, hier sind so komische Geräusche. Sollen wir nochmal zusammen chaten? 
Smilla: Ja, wann und wo? 
coalmine: Morgen um
(Zwei Minuten Sendepause) 
Smilla: Um wann? 
Smilla: Wann? 
Smilla: coalmine? 
Smilla: WANN? 
Smilla: IDIOT 
Smilla: Good bye! 
driver: Good bye! 
Merkwürdig, Matuschek dachte einer sich anbahnenden Liebesbeziehung beigewohnt zu haben, aber der Schluss. Er meldete sich ab und packte seinen Laptop in den Kofferraum, genug für heute, online per Mobilfunk ist einfach zu teuer, jetzt wird wieder Geld verdient. Matuschek stand ganz allein am Halteplatz, drehte die Musik etwas leiser um den Funk zu verstehen und wartete auf die Dinge die da kamen. 
Als er sich gerade in Grand Central Winter  von Lee Stinger, einem Schwarzen aus der Medienszene, der durch übermässigen Crack Konsum nach ganz unten kam, eingelesen hatte, ging die Tür auf, Smilla. 
"Guten Abend, einmal nach Heisingen." 
"Guten Abend" 
Matuschek war einen Moment sprachlos, dann viel ihm die Standardfrage für diese Route ein. 
"Über den Stadtwaldplatz oder die Ruhrallee?" 
"Stadtwaldplatz" 
Matuschek fuhr los und überlegte was er aus dieser Situation machen sollte. Sollte er sie auf den Chat ansprechen, oder besser nicht, da brach Smilla das Schweigen. 
"Wo gibt es denn einen See mit einem Industriedenkmal, einer Zeche, einem Förderturm oder so?" 
"Könnte der Baldeney See sein, gegenüber von Haus Scheppen gibt es einen alten Förderturm, ehemalige Zeche ..., weiß nicht mehr." 
"Können wir da vorbei fahren?" 
"Ja, ich muss mal überlegen, ja, das ist sogar in Heisingen, mit dem Auto kommt man bis zu einem Parkplatz kurz davor." 
Aha, wir schauen mal was mit coalmine ist, war ja auch irgendwie merkwürdig der Abgang. 
"Jetzt nicht erschrecken, wir schauen wahrscheinlich nach coalmine, stimmt's?" 
"Äh, ja, aber ..." 
"Ganz einfach, ich habe vor dem Internet-Café meinen Laptop ausprobiert, vorher hab ich drinnen einen Café getrunken und eine kleine Runde gemacht, zufällig sah ich das du in dem Chat warst in dem ich auch ab und zu mal bin, driver, angenehm. 
"Ich glaubs nicht!" 
"Is aber so" 
"Nee" 
 
"Doch, war schon komisch der Abgang von coalmine." 
 
"Ja" 
Matuschek schaltete den Fahrpreisanzeiger aus und holte schon mal das Handy hervor. Die Situation war schon merkwürdig, er wollte dem Mädchen keine Angst machen. 
"Ist umsonst die Fahrt, wenn du möchtest komm ich mit suchen. Du kannst das Handy nehmen, wenn du jemanden anrufen möchtest." 
"Danke" 
Nach 15 Minuten hatte Matuschek den Parkplatz gefunden, als er noch in der Stadt wohnte war er hier ein paar Mal spazieren gegangen. Die Beiden stiegen aus und gingen ca. fünf Minuten den Uferweg entlang. Trotz Halbmond und wolkenlosem Himmel, war es doch sehr dunkel, allein wäre Matuschek hier nie langgegangen. Auf der nächsten Parkbank stand ein Laptop, als Matuschek eine Taste drückte erschien das Bild vom Chat. Ein Verbindungskabel war eingesteckt, das Handy war weg.
"Rufen wir mal bei der Polizei an?",
fragte Matuschek, holte gleichzeitig sein Handy heraus und bewegte sich ein paar Meter Richtung See, Smilla blieb ganz nah bei ihm und nickte. 

"Muss ich vor der 110 eigentlich die Vorwahl wählen?" 
"Weiß nicht" 
Matuschek wählte mal ohne und gerade als sich jemand meldete, "Polizeiwache Essen, Baumgard",
tauchte ein Skateboardfahrer auf, nahm den Laptop und verschwand in der Dunkelheit. 

"Polizeiwache Essen, Baumgard"
"Ähm, ja, Matuschek, guten Abend, hast du das gesehen, Smilla?", staunte Matuschek ins Handy.
"Ich heiße wirklich Smilla",
sagte diese, Matuscheks erstaunter verstörter Blick in ihre Richtung, hatte sie wohl dazu veranlasst. 

"Möchten sie etwas melden?",
fragte Herr Baumgard. 

"Ja"
"Ihre Adresse"
"Nein, die möchte ich nicht melden." 
"Die brauche ich aber erst." 
 
"Ach so, ja Entschuldigung." 
Matuschek nannte brav seine Adresse und schilderte dann so einfach wie möglich die Sachlage, immer im Zweifel ob der geschätzte Herr Baumgard ihn auch ernst nahm, war das eigentlich alles wirklich passiert. Das einzige materielle Beweisstück war gerade entweder geklaut oder von coalmine abgeholt worden. Smilla schaute abwechselnd zum See und zu Matuschek, mit sanften blauen Augen wusste sie wohl auch nicht so recht was sie hier eigentlich sollte. Als Matuschek beim potentiellen Diebstahl angelangt war, hörte er zu seiner Überraschung: 
"Bleiben sie mal bitte da, wir schicken einen Streifenwagen, Baldeney See gegenüber Haus Scheppen, richtig?" 
"Äh, ja, danke",
sagte Matuschek, legte durch das Drücken einer Taste auf, suchte Smillas Augen und sagte: 

"Die haben wohl Langeweile, die schicken wirklich einen Streifenwagen." 
Nach zehn Minuten kam ein Streifenwagen den kombinierten Fuß- und Radweg entlang. 
"Dat dat dat darf",
kommentierte Matuschek dieses Ereignis. Die gemischte Streife stieg aus, der Herr setzte sich seine Mütze auf und die Befragung ging los. Die beiden hatten das Taxi, als dessen Fahrer Matuschek sich legitimieren konnte, auf dem Parkplatz abgestellt gesehen, was die Geschichte die Matuschek und Smilla in getrennten Vernehmungen wiedergaben wohl etwas glaubwürdiger machte. Mehr als das Gehörte zu Protokoll nehmen konnten sie aber nicht, sie würden sich aber vielleicht noch einmal melden. Bei der Verabschiedung musste sich der Beamte natürlich noch mit seinen literarischen Kenntnissen vor seiner Kollegin profilieren: 

"Fräulein Smilla, ihr Gespür für schnelle Analysen ist wirklich beeindruckend, auf Wiedersehen." 
"Was hast du dem den erzählt?",
fragte Matuschek sofort, nachdem sich der Streifenwagen in Bewegung gesetzt hatte. 

"Och, eigentlich nur das was auch war, und das der Skateboardfahrer einen auf mich recht femininen Eindruck machte, das Gesicht haben wir ja in der Dunkelheit nicht gesehen und in der Pluderhose und unter der Hinterwäldlerkappe kann ja auch eine Frau gesteckt haben.",
sagte schelmisch Smilla. 

"Boh, eifersüchtig?", mehr viel Matuschek nicht ein. 
"Päh" 
"Fräulein Smilla Schneider darf ich mit ihnen zum Auto gehen?", fragte Matuschek nun. 
"Bin weder Fräulein, weder schön ... äh, ja doch, gerne." 
Matuschek fuhr Smilla in ihre kleine Wohnung in Heisingen, im Taxi tauschten sie noch ihre Karten aus, Matuschek erzählte, dass er erst wieder nächsten Freitag fahren würde und aus Bergkamen käme, einer Kleinstadt im Nordosten von Dortmund, sie ihn aber jederzeit, falls sie etwas neues erfahren hätte, anrufen oder mailen könnte. Smilla sagte, auf jeden Fall, die Sache wäre doch zu komisch, außerdem würde sie dieser coalmine und sein Schicksal doch sehr interessieren, über Ostern würde sie zu Hause lernen, nächste Woche ginge die Uni wieder los.
Mittlerweile war es 3:00 Uhr morgens, Matuschek hatte gottlob mit der ersten Fahrt genug für die ganze Nacht verdient, war noch sehr fit, hatte aber Durst, also erst einmal zur Tankstelle einen leckeren ARAL Tankstelle
Café ziehen, ein Päckchen Drum und eine Ritter Sport Olympia kaufen. Der Rest der Nacht verlief erwartungsgemäß sehr schleppend, was Matuschek aber nicht weiter störte, seine Gedanken kreisten um Smilla, coalmine, seinen neuen Laptop. Zu Hause holte er eine Flasche Merlot aus dem Keller, fütterte die beiden Katzen, gab den Fischen ein paar Flocken und setzte sich vor den Computer. Sieben eMails waren eingegangen, eine war von
smilla@unarte.de

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